- Wirtschaftsnobelpreis 1977: James Edward Meade — Bertil Gotthard Ohlin
- Wirtschaftsnobelpreis 1977: James Edward Meade — Bertil Gotthard OhlinDer Brite und der Schwede wurden für ihre Arbeiten auf dem Gebiet des internationalen Handels und der internationalen Kapitalbewegung ausgezeichnet.BiografienJames Edward Meade, * Swanage (Cty. Dorset) 23. 6. 1907, ✝ Cambridge 22. 12. 1995; 1940-47 Mitglied und Direktor des Bereichs Wirtschaft im britischen Wirtschaftsministerium, 1947-57 Professor an der London School of Economics, ab 1957 Professor an der University of Cambridge, wichtige Arbeiten zur Außenhandelstheorie.Bertil Gotthard Ohlin, * Kippan (Kristianstad, Schweden) 23. 4. 1899, ✝ Vålådalen (Jämtland, Schweden) 3. 8. 1979; 1929-65 Professor in Stockholm, 1944-67 Vorsitzender der Liberalen Volkspartei Schwedens; bedeutende Beiträge zur Außenhandelstheorie.Würdigung der preisgekrönten LeistungDie Außenhandelstheorie analysiert die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen In- und Ausländern; Untersuchungsgegenstand sind jene Faktoren, die Richtung, Struktur und Volumen von Handelsströmen bestimmen. Des weiteren werden die Preisbildung und Auswirkungen des Außenhandels auf den Wohlstand der Individuen und der Länder untersucht.Das Heckscher-Ohlin-TheoremIn seinem Buch »Interregional and International Trade« (englisch; Interregionaler und internationaler Handel; 1933), entwickelt Bertil Ohlin eine Theorie zur Erklärung der Ursachen und Konsequenzen des internationalen Handels. Dabei greift er auf Erkenntnisse seines Lehrers, des schwedischen Volkswirtschaftlers Eli Heckscher, aus dem Jahr 1919 zurück und sieht in den vorhandenen Mengen der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital die Ursachen für den Außenhandel. Verfügt ein Land über viele Arbeitskräfte aber kaum Kapital, so weist es durch das große Arbeitskräfteangebot vergleichsweise geringe Löhne auf. Die Kapitalknappheit führt zu entsprechend hohen Zinsen. Dieser Umstand stellt einen Vorteil für diejenigen Branchen dar, deren Güterproduktion einen hohen Anteil menschlicher Arbeitskraft benötigt. Sie können zu relativ geringen Kosten ihre Waren produzieren. Gleichzeitig werden Industrien benachteiligt, die einen hohen Kapitaleinsatz erfordern, beispielsweise in Form von Maschinen. Durch hohe Zinsen verteuern sich Investitionen, was in entsprechend hohen Produktionskosten kapitalintensiver Industriezweige resultiert.Nimmt dieses Land Außenhandelsbeziehungen auf, so kann es seinen Vorteil bei arbeitsintensiven Produkten nutzen. Durch die niedrigen Produktionskosten können diese Waren auf dem Weltmarkt zu einem günstigen Preis angeboten werden. Der ideale Handelspartner weist eine konträre Faktorausstattung auf: Er verfügt über viel Kapital und wenig Arbeitskräfte. Damit weisen seine arbeitsintensiven Güter sehr hohe Produktionskosten und Preise auf; die kapitalintensiven Waren entsprechend niedrige. Das zu Beginn betrachtete Land kann seine relativ günstigen arbeitsintensiven Waren an diesen Handelspartner verkaufen und im Austausch die im eigenen Land sehr teuer zu produzierenden, kapitalintensiven Güter importieren. Die Folge ist, neben der internationalen Arbeitsteilung durch Spezialisierung der Produktion auf die jeweils vorteilhaften Güter, auch die Angleichung der zuvor sehr unterschiedlichen Inlandspreise. Das Land mit Produktions- und Preisvorteilen bei arbeitsintensiven Gütern befriedigt nun die heimische und die ausländische Nachfrage. Die gestiegene Nachfrage erhöht so lange die Preise, bis sich Gleichgewichtspreise einstellen, die zwischen den ursprünglichen nationalen Preisen liegen. Aus Sicht des Exportlands werden die arbeitsintensiven Güter zu einem höheren Preis abgesetzt und das Importland bezieht diese Güter zu einem Preis, der unter den eigenen Produktionskosten liegt. Eine analoge Argumentation gilt für die Preisangleichung bei kapitalintensiven Gütern sowie für die ebenfalls stattfindende Angleichung der Löhne und Zinsen. Beide Länder profitieren vom internationalen Handel, denn sie erwirtschaften einen »Gewinn«, mit dem die Versorgung der Bevölkerung verbessert werden kann. Diese Erkenntnisse werden als das Heckscher-Ohlin-Theorem bezeichnet und fehlen heute in keinem Lehrbuch zur Außenwirtschaftstheorie.Das Leontief-ParadoxonEine empirische Überprüfung des Theorems erfolgte 1953 am Beispiel der USA durch den Ökonomen Wassily Leontief. Überraschenderweise importiert dieses sehr reich mit Kapital ausgestattete Land kapitalintensive Güter und exportiert arbeitsintensive Produkte, widerspricht also dem Heckscher-Ohlin-Theorem. Die Erklärung ist in den hoch qualifizierten Arbeitskräften zu suchen. Die USA nutzten dieses Potenzial und spezialisierten sich auf die Produktion hochwertiger arbeitsintensiver Waren.Meades ForschungJames Meades Interesse galt der Stabilisierung von Ökonomien, die einen hohen Grad an Außenhandelsverflechtung aufweisen. Der Außenhandel nimmt beispielsweise über Schwankungen der Devisenkurse und daraus resultierenden Veränderungen der Ex- und Importe Einfluss auf die inländische Wirtschaft. Der rapide ansteigende Welthandel zu Beginn der 1950er-Jahre erschwerte die wirtschaftspolitische Steuerung der Länder erheblich. Meade untersuchte, wie außenhandelsbedingte Effekte in Kombination mit inländischen wirtschaftspolitischen Maßnahmen in einer Volkswirtschaft wirken und wo Ansatzpunkte für eine zielorientierte Lenkung zu finden sind. Sein Hauptinteresse galt dabei der Vollbeschäftigung bei gleichzeitiger Realisierung einer ausgeglichenen Außenhandelsposition. Im Rahmen seiner außenwirtschaftlichen Arbeiten verbesserte James Meade die Systematik der Zahlungsbilanz, die ein wichtiges Instrument der Außenhandelsanalyse darstellt. Diese Zusammenstellung aller wirtschaftlichen Transaktionen zwischen In- und Ausländern erweiterte er um die Erfassung von Kapitalströmen. Das Ergebnis ist ein genaueres Bild der Struktur und des Umfangs des Außenhandels.Die Marktwirtschaft und das freie Aufeinandertreffen der Kräfte stellen nach Meades Meinung den effektivsten Weg dar, um das Sozialprodukt zu erhöhen — aber dessen Verteilung wollte er dem Markt nicht überlassen. Unvollkommenheiten des Markts, beispielsweise Monopole, können effiziente Ergebnisse verhindern. Er plädierte für weit reichende, korrigierende Staatseingriffe, um Missbrauch durch Einzelinteressen zu verhindern und soziale Härten zu mildern. Als Mitglied eines Beratungskomitees der britischen Regierung erörterte er Möglichkeiten der Reform des britischen Steuersystems und verwies auf die Vorteile einer stärkeren Besteuerung des Konsums zugunsten einer Senkung der Einkommensteuer. Davon erhoffte er sich mehr steuerpolitische Gerechtigkeit, weil nur der tatsächliche Verbrauch des Einzelnen versteuert wird. Zusätzlich würde die staatliche Einflussnahme auf das Verbraucherverhalten erleichtert.Durch die Beiträge Meades und Ohlins wurde die Außenhandelstheorie zu einem zentralen Forschungsbereich der Wirtschaftswissenschaft. Sie muss sich in der aktuellen Globalisierungsdebatte neuen Herausforderungen stellen und zukunftsweisende Lösungen anbieten.A. Olbrisch
Universal-Lexikon. 2012.